Publikationen zum Kunstrecht in Deutschland und Österreich
Kunst und Recht
Zur Einführung
Kunst und Recht ist ein Begriffspaar, das auf den ersten Blick kaum harmoniert: Steht Recht für ein festes, vorhersehbares Normengefüge, um Interessenskonflikte möglichst ausgewogen, aber doch präzise zu lösen, möchte die Kunst sich oft nicht so genau festlegen. Aus diesem Spannungsverhältnis ist auch hierzulande ein äußerst reizvolles Rechtsgebiet entstanden, dass sich der praktischen Fragestellungen und der daraus resultierenden rechtlichen und steuerlichen Probleme annimmt.
Eine genaue Eingrenzung des Kunstrechts in juristische Paradigma kann aufgrund der reichhaltigen Facetten dieser Disziplin nicht gelingen. Wer dies versuchen würde, vergisst sicher so manches. Im Großen und Ganzen kann man das Kunstrecht aber sowohl klassischen Rechtsgebieten als auch genuin kunstrechtlichen Fragestellungen zuordnen. Als Querschnittsmaterie berührt das Kunstrecht im wirtschaftsrechtlichen Sinne natürlich unter anderem das Urheberrecht (Beispiele: urheberechtlicher Schutz von Kunstgegenständen, das viel diskutierte Folgerecht und die Katalogbildfreiheit), das Steuerrecht (Bewertung von Kunstgegenständen, steuerliche Geltendmachung kultureller Aktivitäten), das allgemeine Wirtschaftsrecht (Handelsrecht der Galerien) und angrenzende Konstellationen (als Schlagwort sei hier einmal die Konzeption eines Kunstfonds genannt).
Kunstrecht im engeren Sinne kann man insbesondere dort antreffen, wo das Recht sich der äußerst schwierigen Einordnung der Kunst annehmen muss, obwohl die Kunst dies selbst manchmal nicht kann oder will. Gemeint sind hier zum einen äußerst sensible Fragestellungen wie die Untersuchung der Echtheit eines Kunstgegenstandes –und dies nicht nur nach kunstwissenschaftlichen Kriterien- und der daraus resultierenden Zuschreibung (so genannte authentication: appraisal and expertise). Schließlich ziehen zum anderen der Kunstraub in Krieg, Kolonialzeit und Verfolgung oder unklare Besitzverhältnisse erhitzte Debatten nach sich, wie sich an der Restitution der Berliner Straßenszene von Ernst Ludwig Kirchner vom Berliner Museum „Brücke“ eindrucksvoll zeigte.
Lassen Sie mich aus der Fülle der angedeuteten Fragestellungen zwei klassische Beispiele herausgreifen, um den Rahmen dieser Darstellung nicht zu sprengen. Besprochen werden soll nachfolgend die Ihnen sicher bekannte anmutige Büste von Nofretete (im Kontext zu Fragestellungen im internationalen Kulturgüterschutz) sowie die Bewertung von Kunstgegenständen in Privatsammlungen und Unternehmen (für das Beratungsgebiet Vermögensnachfolge/Steuerecht).
Muss Nofretete heim nach Ägypten?
Das Bernsteinzimmer, der Schatz des Priamos, die Elgin Marbles, …- die Reise der Kunst durch „unregelmäßige Besitzübertragungen“ ziehen sich wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder aufs Neue: Vae victis! Gelehrte nennen dies eine „anthropologische Konstante“. In viel subtileren Formen harren die vielfach dubiosen Kunsttransporte im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus der Aufarbeitung- so man das überhaupt noch möchte. So hatte Lord Elgin in einem Firman des türkischen Besatzers im Jahre 1812 die Erlaubnis erhalten, „einige Steine“ aus der Akropolis in Athen zu entfernen. Ein Gang durch das British Museum zeigt, dass er dies doch recht großzügig auslegte.
Eine Frage der Auslegung ist (wohl) auch der Fall Nofretete. Nach geltender Doktrin in Ägypten konnte seinerzeit ein Ausgräber an einer Hälfte der Funde Eigentum durch Zustimmung der zuständigen Behörde erlangen. Am 20. Januar 1913 breitete Ludwig Borchardt seine Funde zum Zwecke der Fundteilung aus und kaschierte die schöne Nofretete geschickt unter bedeutungslosen Antiquitäten. Glücklich ob der Nachsicht des ägyptischen Beamten transportierte der jüdische Mäzen James Simon seine Nofretete nach Berlin, wo sie erst 1924 auf der Museumsinsel erstmals öffentlich ausgestellt wurde. Während Göring diese 1933 an Kairo zurückgeben wollte, verhinderte ein Machtwort Hitlers dieses Ansinnen. 70 Jahre später wurde Nofretete in Berlin durch polnische Künstler auf einen passgenauen nackten Frauen-Korpus gesetzt, was in Ägypten für Entsetzen sorgte (Gegner der Restitution werten dies als Zeichen der Ignoranz).
Ägypten besteht noch heute darauf, dass sie niemals eine Ausfuhrerlaubnis für Nofrete erteilt habe und verlangt ihre Rückgabe. Eine Leihgabe nach Ägypten wird von den Berliner Kustoden aus konservatorischen Gründen abgelehnt- eine Expertenkommission soll dies nun überprüfen. Eine Klage auf Herausgabe von Nofretete wäre heute im Prinzip nach deutschem Recht verjährt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden staatenübergreifende internationale Konventionen zur Rückgabe von illegal transferierten Kunstschätzen verabschiedet. Diese Regelungen sind aber nicht rückwirkend.
Gerne wird von gegenwärtigen Besitzern angeführt, dass nur der Abtransport in die „Zivilisation“ die Kunstschätze vor ihrem sichern Untergang vor Ort „gerettet“ habe. Nach dieser Argumentation dürfte aber ein jeder Kulturgüter rauben, der über die vermeintlich besseren konservatorischen Mittel verfügt oder weil ein späteres Ereignis die Sache ohnehin zerstört hätte. Woher soll man das wissen?
Schon deshalb kommt es im Völkerrecht darauf an, ob der gegenwärtige Besitzer als bösgläubig gelten kann und der Anspruchssteller sich fortwährend um die Rückerlangung bemüht hat. Beides muss man bei Nofretete bejahen; Deutschland ist hier einmal nicht in der Opferrolle. Während man sich zu Recht über die Blockadehaltung Russlands oder Polens in der Beutekunstdebatte beklagt, möchte man sich nur ungern von Schlüsselwerken, die insbesondere im Zeitalter des Imperialismus hierher kamen, trennen. Schlussstrichargumente sind aber nur dann zu akzeptieren, wenn sie ohne Unterschied für jeden Kunstraub gelten- sei dies bei der Beutekunst oder bei Kunstschätzen aus ehemaligen Kolonien (oder nicht einmal das). Doch davon ist man noch weit entfernt.
Die Bewertung von Kunstgegenständen
„Die Dinge haben nur den Wert, den man ihnen verleiht.“ Ob Molière damit auch die Kunst im Auge hatte, wissen wir nicht. Sicherlich kennen Sie aber aus eigener Erfahrung, wie unterschiedlich Kunst begutachtet wird- mit bisweilen erstaunlichen Resultaten. Als entscheidende Faktoren gelten die Qualität, die sich aus dem Auge des Betrachters erschließt, eine makellose Provenienz (manche Geschichte ist spannender als sein Bild), „Marktfrische“, Zeitgeschmack, der „performance“ am Markt und nicht zuletzt die Authentizität. Letzten Endes entscheiden doch Intuition, Herz, Verstand und Geldbeutel, je nach persönlicher Abmischung. Während ein Kunstwerk vor der Steuer möglichst bedeutungslos erscheinen will, kann es im Verkaufsfalle nicht teuer genug sein. Der Preis eines Kunstwerkes kann immer nur der sein, der für ihn in einer konkreten Erwerbssituation bezahlt wird. Hieraus zeigt sich, dass eine Bewertung von Kunstwerken immer nur so gut sein kann wie die darin berücksichtigten Grundlagen und Hintergründe. Eine vollständige Bewertung sollte den klassischen Bewertungsanlässen (Verkauf, Schadensfall, Verlust, Schenkung, Erbfall) gerecht werden können, ohne genau zu wissen, was denn da kommen mag.
Aus Vorstehendem resultieren aus Sicht des Unternehmer-Mäzen nominell in aller Regel „Niederst“- (Steuer/ Erbfall), „Mittel“ (Versicherung)- und Höchstwerte (für den Verkauf). Demgegenüber sprechen Gutachter gerne nur vom Wiederbeschaffungswert. Entscheidend ist aber der gemeine Wert, welche den Fiskus allein interessiert und welcher wegen den Wertschwankungen am Markt erheblich vom Wiederbeschaffungswert abweichen kann. In aller Regel berechnet sich der gemeine Wert aus dem Hammerpreis bei einer Auktion abzüglich der konkreten Nebengebühren des Auktionshauses (Abgeld) und einem Sicherheitsabschlag (für dessen Ermittlung eine intime Kenntnis der Marktverhältnisse erforderlich ist). Wenn kein Hammerpreis verfügbar ist, können vergleichbare Auktionspreise (etwa bei artprice.com) herangezogen werden.
Wenn Sie sich sicher sein können, dass Sie die Bewertung nur für einen spezifischen Anlass benötigen, können Sie Ihren Auftrag ruhig darauf konzentrieren. Wie gesehen wird dies aber so gut wie nie der Fall sein. Die Kunst des Gutachters besteht stets darin, den oder die Bewertungsanlässe mit der individuellen Qualität des Exponats abzugleichen (so genanntes Vergleichsverfahren) sowie den konkreten Bewertungsansatz und seinen damit verbundenen Vorgang transparent zu machen. Für die steuerliche Behandlung muss ein Bewertungsstichtag angegeben sein.
Im Lichte dieser Kriterien ist ein reines Versicherungsgutachten häufig nicht für andere Zwecke (z.B. der Vererbung oder die Veräußerung) zu gebrauchen. Bitte beachten Sie auch zukünftige Entwicklungen, da Behörden wegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei der Erbschaftssteuer stets nach einem unabhängigen Gutachten fragen werden. Zudem kann eine Sammlung beispielsweise in einem Testament nur dann vernünftig aufgeteilt werden, wenn diese vollständig mit einem Bewertungsansatz erfasst wurde. Die Bewertung ist schließlich für in Unternehmen eingebrachte Kunstgegenstände, bei der Errichtung einer Kunststiftung und für die steueroptimierte Gestaltung der Vermögensnachfolge maßgeblich.
Am Ende vermag aber keiner der genannten Werte den imateriellen, wenn nicht emotionalen (Affektions-) Wert aufzuwiegen, den Sie –und nur Sie- zu Ihrem Kunstwerk haben und mit Ihrer Zuneigung festlegen. Dieser am Kunstmarkt nie zu unterschätzende Faktor kann Ihnen kein Gutachter nehmen.
Zum Schluss
Sie sehen, das Kunstrecht ist eine äußerst spannende wie inspirierende Materie. Im Prinzip ist kunstrechtliche Spezialexpertise immer dann gefragt, wenn Kunst einen nicht unerheblichen Vermögensbestandteil im Portfolio der Privatperson oder im Unternehmen bildet respektive künftig bilden soll. Hilfestellungen kann der versierte Kunstanwalt Ihnen insbesondere in den Bereichen der Sammlungsnachfolge (als Bestandteil der Gesamtvermögensnachfolge) und in der Koordinierung und Unterstützung kultureller Aktivitäten im Unternehmen (z.B. in den Bereichen art investment, Kunstfonds und Kunstsponsoring) anbieten. Steuerliche Fragen dürfen hierbei nicht zu kurz kommen und sollten von spezialisierten Berufsträgern (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater) aufgefangen werden. Schließlich sollte eine (kosten-) effektive Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern und Experten in der Kunstberatung (u.a. kuratorische Begleitung, Sammlungsberatung) zur Beratung aus einer Hand gewährleistet sein.
Wenn diese Zeilen Sie vielleicht dazu angeregt haben, Ihre kulturellen Aktivitäten in Ihrem Unternehmen auszuweiten, würde der Verfasser sich freuen. „Alte Hasen“ im Umgang mit Kunst in Unternehmungen wissen ohnehin, wie diversifiziert und komplex so manche Fragestellung werden kann.
Jederzeit steht der Verfasser Ihnen gerne für Ihre Anregungen, Diskussionswünsche und Rückfragen zur Verfügung.
Ich wünsche Ihnen weiterhin recht viel Freude mit der Kunst und hoffe, mit diesen Zeilen hierfür einen kleinen Beitrag geleistet zu haben.
Mit besten Grüßen aus München
Ihr Hannes Hartung
Kunstrecht in Österreich
VERBORGENER MANGEL UND RÜGEPFLICHT: IRRTUMSANFECHTUNG NACH KAUF EINER FÄLSCHUNG
Wesentlicher Irrtum über die Echtheit
Die spätere Klägerin, eine Kunsthandelsgesellschaft, erwarb in einer Auktion ein als Original angepriesenes Ölgemälde. Der (später auf Rückzahlung des Kaufpreises beklagte) Versteigerer ging von der Echtheit des Bildes aus und brachte dies nicht nur im Katalog, sondern auch gegenüber der Klägerin zum Ausdruck. Hätte der Klägerin gewusst, dass es sich tatsächlich um eine Fälschung handelte, hätte sie das Bild nicht erworben. Gemäß Geschäftsordnung des Versteigerers müssen Reklamationen über den Zustand der Ware bei der Übernahme erhoben werden, spätere Reklamationen über den Zustand und Beschaffenheit der Ware würden nicht berücksichtigt. Gleich nach der Auktion verkaufte die Klägerin das Bild an einen Privatkunden, welcher rund ein Jahr später der Klägerin mit Berufung auf die Meinung eines Experten vorwarf, das Bild sei nicht echt. Die Klägerin ließ daraufhin das Bild mehrfach selbst untersuchen und erfuhr wiederum ein knappes Jahr später verlässlich, dass es sich tatsächlich um eine Fälschung handle. Es verging etwa ein Monat bis es zur schriftlichen Anfechtung des Kaufes durch den Klagevertreter kam. Schließlich begehrte die Klägerin bei Gericht, den Versteigerer schuldig zu erkennen, gegen Rückgabe des Ölgemäldes den Kaufpreis zurück zu bezahlen. Die Klägerin habe sich beim Kauf des Ölgemäldes in einem wesentlichen Irrtum über die Echtheit des Bildes befunden und sei der Irrtum vom Beklagten veranlasst worden, weil er das Bild als Original angepriesen habe.
Unterschiedliche Sicht der Gerichte
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, sofort nach Ankauf des Bildes eine Expertise einzuholen, was sie unterlassen habe. Reklamationen über den Zustand der Ware seien bei Übernahme zu erheben. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aber statt und vertrat die Ansicht, dass die Klägerin den verborgenen Mangel unverzüglich angezeigt habe, nachdem ihr die Gutachtenserstattung bekannt geworden sei. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und entschied im Sinne einer Klagsabweisung. Bei beidseitigen Handelsgeschäften habe der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach den ordnungsgemäßen Geschäftsgange tunlich sei, zu untersuchen und habe er einen Mangel unverzüglich anzuzeigen. Selbst wenn im vorliegenden Fall der Mangel auch bei sachkundiger Prüfung nicht sofort hätte festgestellt werden können, so wäre dennoch die Klägerin verpflichtet gewesen, spätestens sofort nach Einlangen der Reklamation ihres Käufers den Mangel der Echtheit gegenüber dem Beklagten zu rügen. Wenn der Käufer untätig bleibe und abwarte, ob sich der Verdacht eines Mangels mit der Zeit zur Gewissheit verdichte, so sei seine erst dann erstattete Rüge verspätet. Die Klägerin hätte sich mit der Untersuchung nicht ein Jahr Zeit lassen dürfen und selbst wenn man davon ausginge, dass sie das Ergebnis einer von ihr veranlassten Untersuchung hätte abwarten dürfen, so wäre ihre Rüge rund einen Monat nachdem sie von dem mit der Untersuchung beauftragten Fachmann erfuhr, dass es sich bei dem Bild um eine Fälschung handle, verspätet. Die Versäumung der zeitgerechten Mängelrüge führe nicht nur zum Verlust von Gewährleistungsansprüchen, sondern nehme auch das Recht zur Irrtumsanfechtung.
Fehlende Echtheit als verborgener Mangel
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts entschied der Oberste Gerichtshof infolge außerordentlicher Revision der Klägerin, dass die Anrufung des OGH wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig und auch berechtigt sei. Dem Kläger wurde Recht gegeben und der Versteigerer endgültig verpflichtet, den bezahlten Kaufpreis zu refundieren. Der OGH erwog dazu, im vorliegenden Fall handle es sich um einen Spezieskauf (also um den Kauf einer ganz bestimmten Sache, die seitens des Verkäufers nicht eigenmächtig ausgewechselt werden kann). Die Klägerin habe gerade dieses Bild, das im Katalog angeboten wurde, erwerben wollen, das ihr auch geliefert wurde. Keine Frage sei, dass die Echtheit eines Gemäldes eine zugesagte Eigenschaft ist, zumal ja Reproduktionen auch im Handel erhältlich wären. Die Lieferung eines gefälschten Gemäldes sei als Schlechtlieferung aufzufassen und unterstehe dem § 377 HGB (nun UGB, Unternehmensgesetzbuch, wo die unternehmerische Rügepflicht angeordnet ist). Unbestritten sei, dass der vorliegende Mangel der Echtheit als verborgener Mangel zu qualifizieren sei. Ein verborgener Mangel sei ein Mangel, der sich in einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht feststellen lasse und der dem Käufer bei Ablieferung der Ware nicht tatsächlich bekannt geworden sei. Verborgene Mängel müssten sofort nach ihrer Entdeckung gerügt werden. Nach der Entdeckung des Mangels dürfe der Käufer nicht noch die Ware einer Untersuchung unterziehen und deren Ergebnis abwarten, wenn er den Rechtsverlust (den Verlust des Anspruchs auf Refundierung des Kaufpreises) vermeiden wolle. Für die Rechtswahrung der hier eingeschrittenen Klägerin sei es jedenfalls ausschlaggebend, dass sie ihrer Rügeobliegenheit tatsächlich nachgekommen sei. Der vorliegende Rechtsfall sei dadurch gekennzeichnet, dass der Mangel der Echtheit des Gemäldes so schwierig festzustellen gewesen wäre, dass dies ausschließlich durch die Expertise eines besonders geeigneten Sachverständigen habe geschehen können. Experten für den hier gegenständlichen Maler seien selten und nur schwer aufzufinden. Auch wenn der Käufer, so der OGH, „bei Verdacht eines Mangels nicht darauf warten darf, bis sich dieser zur Gewissheit verdichtet, bis er seine Rüge erstattet, so muss doch der Mangel als solcher zumindest aus Indizien objektiviert sein. Ein völlig unsubstantiiert an den Käufer herangetragener Verdacht löst noch keine Rügeobliegenheit aus.“
Unsubstantiierter Verdacht erfordert keine Mängelrüge
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, so der OGH, sei der Vorwurf der Fälschung völlig unsubstantiiert unter Hinweis auf eine der Klägerin nicht vorgelegte Expertise erhoben worden. Ohne Gutachten eines spezifischen Kunstsachverständigen habe aber über die Echtheit des Gemäldes kein Aufschluss erlangt werden können. In diesem konkreten Einzelfall sei daher der Käufer erst dann zur Rüge verpflichtet, wenn er die schriftliche Expertise in Händen halte und damit erst substantiiert einen Verdacht vom Mangel haben konnte. Der Käufer brauche sich in einem derart schwierig zu beurteilenden Fall nicht auf mündliche Erklärungen verlassen, sodass es der Klägerin nicht schade, dass sie nicht unverzüglich nach mündlicher Mitteilung der Expertise den Mangel gerügt habe. Die seitens der Käuferin der Fälschung erhobene Mängelrüge erweise sich daher in diesem konkreten Einzelfall als rechtzeitig. Damit sei die Klägerin zur Irrtumsanfechtung berechtigt, der Vertrag werde rückwirkend (ex tunc) aufgelöst und der beklagte Versteigerer sei zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Gemäldes verpflichtet.
LEIHVERTRÄGE: FAIRE RISIKOVERTEILUNG BEI DER VERTRAGSGESTALTUNG
Sorgloser Umgang mit Leihgaben
Selbst große Museen und andere professionell geführte Sammlungen gehen allzu oft recht sorglos vor, was die leihweise Überlassung von Kunstgegenständen anbelangt. Umgekehrt ist bei der Abwicklung von Ausstellungsprojekten immer wieder festzustellen, dass hinsichtlich erhaltener Leihgaben Risiken eingegangen werden, die eigentlich der Verleiher oder der Versicherer tragen sollte. Erheblicher Schaden kann die Folge sei. Eine gut durchdachte Gestaltung des Leihverhältnisses ist mit Nachdruck ans Herz zu legen. Die Leihe ist sogenannter Realvertrag. Erst mit der tatsächlichen Übergabe des Leihgegenstands kommt der Leihvertrag zustande. Das bloße Versprechen, etwas leihen zu wollen, ist nur Vorvertrag. Ändern sich die Verhältnisse, ist ein einseitiges Abgehen von der Leihzusage vergleichswiese einfach möglich. Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist auch Leihe auf unbestimmte Zeit zulässig, die zur Beendigung einer Kündigung bedarf. Der Leihvertrag ist definitionsgemäß unentgeltlich. Der Begriff „Leihe” wird jedoch immer wieder unrichtig gebraucht, wenn in Wahrheit entgeltliche Miete gemeint ist. Geringfügiges Entgelt nimmt der Leihe aber nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit. Der Gebrauch der entlehnten Sache hat schonend zu erfolgen. Der Entlehner darf den Leihgegenstand ohne Genehmigung nicht weiterverleihen, darin läge ein widerrechtlicher Gebrauch der Sache. Der vereinbarte Gebrauch darf nicht ausgeweitet werden, vielmehr ist am bedungenen Gebrauch festzuhalten. Der Leihgegenstand ist vereinbarungsgemäß zurückzustellen, also nach Ablauf der vereinbarten Leihzeit bzw. nach Kündigung bei Leihe auf unbestimmte Zeit.
Verschuldenshaftung und Beweislast
Der Entlehner haftet für den durch sein Verschulden verursachten Schaden. Gehaftet wird ab leichter Fahrlässigkeit. Der Entlehner haftet nicht für (unverschuldeten) Zufall, z.B. das Bild wird trotz gehöriger Brandschutzeinrichtungen unverschuldet durch ein Feuer zerstört. Die Gefahr einer unverschuldeten (zufälligen) Beschädigung der Sache trägt nach wie vor der Verleiher als Eigentümer. Den Eigentümer trifft nach dem Gesetz das Risiko des Zufalls. In Hinblick auf die zwischen Entlehner und Verleiher bestehende vertragliche Beziehung kommt bei Beschädigung des entlehnten Gegenstands die sogenannte Beweislastumkehr zum Tragen. Demnach muss der Entlehner die eigene Schuldlosigkeit beweisen, um der Haftung zu entgehen, was mitunter sehr schwer oder sogar unmöglich sein kann. Gewöhnlicher Aufwand für die Nutzung des Leihgegenstands trifft den Entlehner, etwa Stromkosten gehören zum ordentlichen Gebrauch und sind vom Entlehner zu tragen. Darin liegt kein Entgelt. Zum schonenden Gebrauch gehört auch die Pflicht der normalen Erhaltung der Sache, etwa Reinigen ausgestellter Kunstgegenstände. Ohne gegenteilige Vereinbarung hat der Entlehner für außerordentliche Erhaltungskosten aber nicht aufzukommen, etwa Restaurierung. Der Entlehner muss nach Ablauf der Leihzeit dieselbe Sache zurückgeben, grundsätzlich in dem Zustand, in dem sie übergeben wurde. Der Verleiher hat nicht das Recht, die Leihsache vor Ablauf der vereinbarten Zeit, also früher zurückzuverlangen, selbst dann nicht, wenn er sie selbst dringend braucht. Der Entlehner ist hingegen berechtigt, die entlehnte Sache auch vor bestimmter Zeit zurückzugeben, aber nicht, wenn dies dem Verleiher beschwerlich ist.
30 Tage-Frist für die Geltendmachung von Schäden
Die Dauer der Leihe bestimmt sich nach der Vereinbarung, die häufig nur schlüssig erfolgt. Sie wird auf bestimmte Zeit oder zu einem bestimmten Zweck vereinbart, für eine Ausstellung für deren Laufzeit. Fehlt eine solche Vereinbarung, liegt Leihe auf unbestimmte Zeit vor, die allenfalls bei fehlenden Einvernehmen einseitig durch Kündigung zu beenden ist. Der Verleiher hat ein vorzeitiges Rückforderungsrecht bei vereinbarungswidrigem Gebrauch. Allfällige Ansprüche von Verleiher und Entlehner nach Rückstellung des Leihgegenstands (zB des Verleihers wegen Missbrauchs oder übertriebener Abnutzung oder allfällige Vergütungsansprüche des Entlehners wegen gemachter außerordentlicher Aufwendungen) sind innerhalb von 30 Tagen geltend zu machen. Das Gesetz kennt als Sonderform auch noch die sogenannte Bittleihe (Prekarium). Prekarium liegt vor, wenn der Verleiher die Sache vereinbarungsgemäß jederzeit nach Willkür zurückfordern kann. Die freie Widerruflichkeit muss aber nicht ausdrücklich vereinbart sein und kann sich auch aus den Umständen ergeben. Sogenannte „Dauerleihgaben“ können, je nachdem, welche (ausdrücklichen oder schlüssigen) Vereinbarungen als getroffen gelten, den Charakter eines kündbaren Leihvertrags auf unbestimmte Zeit haben, oder allenfalls liegt auch eine Schenkung unter Auflage bzw. gegebenenfalls unter Widerrufsvorbehalt vor.
Checkliste für „Kunstverträge“
Folgende Punkte sollte ein guter Leihvertrag für Kunstgegenstände beinhalten:
I. Präambel (Hintergründe und Zielsetzungen der Vereinbarung)
II. Vertragsparteien(Parteien und deren Vertreter, Vollmachten, Firmenbuchauszug, Vereinsregisterauszug, Statuten, Bestellungsdekret für öffentliche Funktion, Ansprechperson)
III. Vertragsgegenstand (Leistung und Gegenleistung, Beschreibung des Kunstgegenstands)
IV. Vertragliche Leistungen und Abwicklung (Vorbereitungspflichten, Hauptleistungen, Vollzugsbestimmungen, Kontrollrechte, Berichtspflicht, Beitrag Dritter zur Vertragserfüllung, Ort der Vertragserfüllung, etc.)
V. Einräumung der Nutzung von Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechten (Urheberrechte und Nutzungsrechte, Merchandisingrechte)
VI. Termine
VII. Rechts- und Sachgewährleistung, Garantiezusagen (Freiheit von Rechten Dritter, Qualitätszusicherung in sachlicher Hinsicht, Übergabe- und Abnahmeregeln, Prüfungs- und Rügepflichten, Rücktrittsklauseln, Nachbesserungsrecht, etc.)
VIII. Leistungsabgeltung (Zahlungstermine, Vorschuss, Akonto, Abrechnungsmodalitäten, Verzugsfolgen bei nicht rechtzeitiger Vertragserfüllung)
IX. Informations- und Kontrollrechte (Verfügung über Daten, Aufbewahrungspflichten)
X. Konkurrenzverbot (eventuell mit Konventionalstrafe)
XI. Geheimhaltungsvereinbarung
XII. Haftung/Nachweis von Versicherungen
XIII. Laufzeit des Vertrags (Vertragsdauer, Auflösungsmodalitäten, fristlose Auflösung, Optionen für Vertragsverlängerung)
XIV. Schlussbestimmungen (Schriftlichkeit, Vertragsbeilagen, Unwirksamkeitsklausel, Erfüllungsort, Gerichtsstand und anwendbares Recht, eventuell Schiedsvereinbarung)
XV. Unterschriften
SCHADENERSATZ FÜR VERLORENE KUNST: OGH ENTSCHEIDET GRUNDSÄTZLICHES
„Egon Schiele“, „Zeichnung“, „Paar“
In einer druckfrischen, von unserer Kanzlei erreichten Grundsatzentscheidung befasst sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, welche Informationen über ein verloren gegangenes Kunstwerk vorhanden sein müssen, damit der Berechtigte Schadenersatz vom Verlierer oder sonst Verantwortlichen verlangen kann. Zu 6 Ob 249/09z hält der OGH fest, dass „im Anlassfall die Benennung des Künstlers, der Werkgattung, des Sujets des Werks und des erzielbaren Verkaufserlöses“ genügt. In der gegenständlichen Sache handelt es sich um vier Kunstwerke von Egon Schiele und Gustav Klimt (1 Ölgemälde, 1 Aquarell, 2 Zeichnungen), die in den fünfziger Jahren einem Linzer Museum als Leihgaben überlassen worden waren und heute dort nicht mehr auffindbar sind. Die Erben der seinerzeitigen Leihgeberin verfügen über Übernahmebestätigungen, die damals vom Museum ausgestellt wurden und nur knappe Angaben über die Bilder enthalten. Dies wohl auch deshalb, weil Klimt- und Schiele-Werke in jenen Tagen bloß einen Bruchteil der heutigen Werte darstellten. In einem quasi Pilotverfahren über eines der Werke lässt der Oberste Gerichtshof entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Linz also nun die kursorische Beschreibung für eine Ersatzpflicht des Museums genügen. In der fast 60 Jahre alten Bestätigung finden sich die Angaben „Egon Schiele“, „Zeichnung“ und „Paar“. Ein befasster Privatgutachter gelangte zu einem aktuellen Marktwert für eine Zeichnung von Schiele von 150.000 EUR bis 250.000 EUR.
Oberlandesgericht anderer Meinung
Das Erstgericht war mit der Beschreibung für Schieles „Paar“ zufrieden und verurteilte die Landeshauptstadt Linz als Trägerin des Museums zur Zahlung von Schadenersatz. Der Leihnehmer müsse auf die Leihstücke ordentlich aufpassen und geeignete Aufzeichnungen führen. Ihn treffe die Beweislast hinsichtlich eines allfälligen unverschuldeten Verlusts und eben dieser Beweis sei der Stadt Linz nicht gelungen. Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht sah die Sache anders und wies die Klage der Verleiherseite ab. Die Angaben „Egon Schiele“, „Zeichnung“und „Paar“ seien zu dürftig. Die unzulängliche Beschreibung der Zeichnung lasse wegen mangelnder Bestimmtheit nicht nur ein Herausgabebegehren scheitern, sondern bewirke auch die Unschlüssigkeit des Zahlungsbegehrens. Notwendige Voraussetzung für die Bestimmung des Werts der Zeichnung seien vollständige Informationen zu den wertbestimmenden Faktoren. Deren Ermittlung erfordere eine exakte Beschreibung der Sache. Nur wenn Klarheit über die Beschaffenheit und Eigenschaften der Zeichnung bestehe, sei deren Bewertung möglich. Diese Klarheit fehle im Anlassfall. Nach ihren eigenen Behauptungen könnten die Kläger die Zeichnung nicht eingehender beschreiben. Aufgrund ihrer Beschreibung sei die Sache nicht individualisierbar. Diese Unvollständigkeit des Vorbringens begründe die Unschlüssigkeit des Wertersatzbegehrens.
Zulässigkeit der Revision aus Gründen der Rechtssicherheit
Das Berufungsgericht ließ die ordentlich Revision an den OGH nicht zu, weil es um keine über den Einzelfall hinausgehende Fragen ginge. Im Unterschied dazu sah der OGH schon eine anstehende Grundsatzfrage, erkannte die außerordentliche Revision der Klagsseite für zulässig und hob das Urteil des Oberlandesgerichts Linz auf. Die Informationen „Egon Schiele“, „Zeichnung“, und „Paar“ genügen für die Bewertung des Verluststücks. Das OLG Linz muss sich nun mit der Sache erneut befassen und die in der Berufung der Beklagten ausgeführten weiteren Berufungsgründe behandeln. So hatte die beklagte Stadt Linz unter anderem vorgebracht, die Übernahmebestätigung des Museums hätte zu ihrer Gültigkeit vom Bürgermeister und zwei Mitgliedern des Gemeinderats unterfertigt werden müssen. Aus dem Gemeindestatut der Landeshauptstadt Linz ergebe sich dies. Im Übrigen habe man die Bilder auch gar nie erhalten und hätte man sie erhalten, so seien sie als Schenkungen an die Stadt anzusehen! Sobald das Berufungsgericht neu entschieden und auch ein allfälliges weiteres Revisionsverfahren beim OGH abgewickelt ist, wird das auch schon beim Landesgericht Linz anhängige Verfahren über die drei anderen Bilder fortgeführt werden. Die Unterinstanzen werden sich bei der Beurteilung der geltend gemachten Schadenersatzbegehren an die beschriebene Grundsatzentscheidung des OGH halten müssen.
OGH-Grundsatzurteil maßgeblich für viele verlorene Kunstwerke
Die vorliegende höchstgerichtliche Entscheidung wird wahrscheinlich nicht nur für „gewöhnlich“ verlorene oder gestohlene Kunstgegenstände Bedeutung haben. Das (sicher noch lange nicht beendete) Thema NS-Kunstraub und Restitution kann damit zusätzliche Brisanz erhalten. In einer Reihe von Fällen verfügen die Erben von NS-Opfern nur über sehr knappe Anhaltspunkte hinsichtlich verlorener oder geraubter Kunstgegenstände. Oft sind vorhandene Unterlagen unklar und unvollständig. Oder es gibt nur sehr bruchstückhafte Erinnerungen betagter Emigranten. Wenn allerdings bereits anhand des Künstlers, der Werkgattung und des Sujets ein aktueller Verkaufswert ermittelt werden kann, sind Schadenersatzforderungen an öffentliche Einrichtungen oder auch Private selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn sich die Stücke lange nicht mehr dort befinden, eine ursprünglich gegebene Herausgabe- oder Restitutionspflicht aber in Betracht kommt. Immerhin beträgt die absolute Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen 30 Jahre, was bedeutet, dass beispielsweise Kunstverkäufe in den achtziger Jahren zu Schadenersatzpflichten führen können, wenn der Verkäufer Zweifel an der einwandfreien Herkunft seines Stückes haben musste. Freilich müsste ein Anspruchsteller dazu noch beweisen, dass zum früheren Inhaber oder dessen Rechtsvorgängern ein Vertrag oder ein vertragsähnliches Verhältnis bestanden hat. Zur Illustrierung ein typisches Beispiel: Anfang der 40-iger Jahre wurde einem Emigranten ein Bild abgepresst, d. h. die Notlage wurde für einen Ankauf weit unter Wert missbraucht. Der Kauf erscheint als sittenwidrig und ungültig. Der in den USA lebende Enkel des Emigranten erfährt heute, dass das Bild im Jahre 1981 an Unbekannt weiterveräußert oder es sonstwie verbracht worden ist. Aus Erzählungen seines verstorbenen Großvaters kennt er nur Künstler, Werkgattung und Sujet.
RECHT AUF MEINUNGSÄUSSERUNG: EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE ZUM AUSSTELLUNGSVERBOT
Grundrechtliche Überprüfung von Urteilen im Kunstbereich
Wenig (selbst unter Juristen) ist es bisher ins allgemeine Bewusstsein gedrungen, dass fragwürdige höchstgerichtliche Entscheidungen per Individualbeschwerde noch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) überprüft werden können. Auch der österreichische Oberste Gerichtshof muss sich also von dem in Straßburg ansässigen EuGHMR vorhalten lassen, es sei mit dieser oder jenen Entscheidung ein in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)festgeschriebenes Grundrecht verletzt worden. Das erst junge Beschwerderecht gegen innerstaatliche Entscheidungen nach Ausschöpfung des Instanzenzugs kann in Zukunft besonders im Bereich der Kunst stark an Bedeutung gewinnen. In Hinblick auf die Internationalität des Kunsthandels und die wachsenden internationalen Aktivitäten der Museen besteht Bedarf nach einheitlichen Standards, zumindest was die europäischen Menschenrechtsgarantien anbelangt. Die Hinweise auf das unten beschriebene Urteil des EuGHMR sollen Künstler und Kunstinstitutionen, aber auch sonst im Kunstbereich Betroffene ermutigen, sich mit grundrechtlich problematischen Gerichtsentscheidungen nicht so ohne weiteres abzufinden.
Ausstellungsverbot für „Apokalypse“
Die Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession hatte anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens eine Ausstellung in der Secession veranstaltet, wo sich unter den ausgestellten Werken auch das Gemälde „Apokalypse“ von Otto Mühl befand. Das Bild zeigte verschiedene Personen des öffentlichen Lebens wie Mutter Theresa, Kardinal Hermann Groer oder Jörg Haider in sexuellen Stellungen. Den gemalten nackten Körpern waren Vergrößerungen von aus Zeitungen ausgeschnittenen Fotos angefügt. Zu den auf diese Weise dargestellten Personen zählte auch der frühere FPÖ-Politiker Walter Meischberger. Während der Ausstellung hatte Martin Humer, bekannt als sogenannter „Pornojäger“, einen Teil des Gemäldes mit roter Farbe übergossen (was eine andere, in Vernissage schon früher besprochene Geschichte ist). Dadurch wurden der gemalte Körper und ein Teil des Gesichts von Herrn Meischberger mit Farbe überdeckt und somit unkenntlich gemacht. Erst nach diesem Vorfall begehrte Herr Meischberger ein Verbot der Ausstellung und Veröffentlichung des Werks sowie die Zahlung einer Entschädigung, was die erste Instanz abwies. Nach Ansicht des Erstgerichts konnte ausgeschlossen werden, dass berechtigte Interessen des Klägers verletzt oder Details aus seinem Privatleben preisgegeben worden wären, da das Gemälde offensichtlich keine reale Situation wiedergebe. Das OLG Wien gab der dagegen erhobenen Berufung aber statt und untersagte die Ausstellung des Gemäldes und verurteilte die Vereinigung Bildender Künstler zur Zahlung der beantragten Entschädigung. Der OGH wies die Revision zurück. Wegen der Verwendung des Bildnisses in entwürdigender und ehrverletzender Weise seien in Abwägung der Freiheit der Kunst gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Klägers letztere als vorrangig zu erachten.
Straßburger Gerichtshof gegen österreichische Gerichte
Anderer Meinung war hingegen der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Demnach machte sich die Republik Österreich durch das Ausstellungs- und Veröffentlichungsverbot einer Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerungschuldig. Der Straßburger Gerichtshof erinnerte daran, dass die durch Art. 10 EMRK gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung eine der Grundsäulen einer demokratischen Gesellschaft darstelle. Grundsätzlich sei diese auch auf Informationen oder Ideen anwendbar, die verletzen, schockieren oder beunruhigen. Jene, die Kunstwerke schaffen, verbreiten oder ausstellen, würden zum Austausch von Meinungen und Ideen beitragen, der für eine demokratische Gesellschaft wesentlich sei. Daraus resultiere die Verpflichtung des Staates, deren Meinungsäußerungsfreiheit nicht unangemessen zu beeinträchtigen. Umgekehrt übernehme der Künstler, der diese Freiheit ausübe, dabei Pflichten und Verantwortung, deren Reichweite von seiner Situation und den von ihm eingesetzten Mitteln abhänge. § 78 UrhG stelle einen Rechtsbehelf gegen die Veröffentlichung des Bildnisses einer Person zur Verfügung, wenn dadurch ihre berechtigten Interessen verletzt werden. Es sei jedoch zu betonen, dass bei dem Gemälde „Apokalypse“ nur Fotos der Köpfe der betroffenen Personen verwendet wurden. Ihre Augen seien hinter schwarzen Balken verborgen und die Körper in einer unrealistischen und übertriebenen Art gemalt gewesen. Für die innerstaatlichen Gerichte aller Instanzen habe außer Streit gestanden, dass das Gemälde offensichtlich nicht auf eine Wiedergabe oder Andeutung realer Begebenheiten abzielte. Bei solchen Porträts handle es sich nach Ansicht des EuGHMR um eine Karikatur der betroffenen Personen, die sich satirischer Elemente bediene. Satire seieine Form des künstlerischen Ausdrucks und des gesellschaftlichen Kommentars, die durch die ihr innewohnende Übertreibung und Verzerrung der Realität natürlich darauf abziele, zu provozieren und aufzuregen. Jeder Eingriff in das Recht eines Künstlers auf eine solche Meinungsäußerung müsse daher mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Das Gemälde von Otto Mühl habe kaum als Darstellung von Details aus dem Privatleben von Herrn Meischberger verstanden werden können, sondernhabe sich eher auf sein öffentliches Ansehen als Politiker der FPÖ bezogen. In dieser Eigenschaft müsse er größere Toleranz gegenüber Kritik an den Tag legen. DerEuGHMR erachtete die Ansicht des Erstgerichts für nachvollziehbar, wonach die Szene, die auch das Porträt von Herrn Meischberger umfasst, als eine Art Gegenschlag gegen die FPÖ verstanden werden könne, deren Mitglieder die Arbeit des Künstlers heftig kritisiert hatten.
Nicht notwendig in einer demokratischen Gesellschaft
Darüber hinaus zeigte das Gemälde, so der Straßburger Gerichtshof, neben Herrn Meischberger 33 weitere Personen in der gleichen Weise, die zum Teil in der österreichischen Öffentlichkeit sehr bekannt gewesen seien. Herr Meischberger, der zum Zeitpunkt der Ereignisse ein einfaches Mitglied des Nationalrats gewesen sei,habe sicher zu den weniger bekannten Personen gezählt, die auf dem Bild dargestellt waren und noch vor Klagseinbringung sei der Meischberger zeigende Teil des Gemäldes beschädigt worden, sodass die anstößige Darstellung seines Körpers vollständig mit roter Farbe verdeckt gewesen sei. Spätestens ab diesem Zeitpunktsei das Porträtdurch die Porträts all der anderen, meist prominenteren Personen, die weiterhin zur Gänze auf dem Gemälde sichtbar waren, verdrängt, wenn nicht völlig in den Schatten gestellt gewesen. Das Ausstellungsverbotsei weder zeitlich noch räumlich begrenzt gewesen und beließe keine Möglichkeit, das Gemälde auszustellen. Zusammenfassend stellte der EuGHMR fest, dass die Untersagung der Ausstellung durch die österreichischen Gerichte unverhältnismäßig und nicht notwendig in einer demokratischen Gesellschaft gewesen sei.
VÖLKERRECHTLICHE IMMUNITÄT VON KUNST: KEIN FREIES GELEIT FÜR „BILDNIS WALLY“
Die Mona Lisa in Amerika
In den ersten Tagen des Jahres 1963 sollten die amerikanisch-französischen Beziehungen durch eine spektakuläre Leihgabe ihren Ausdruck finden: Gefördert durch den persönlichen Kontakt zwischen Jacqueline Kennedy und dem französischen Kulturminister André Malraux gelang es, die Mona Lisa, das Meisterwerk von Leonardo da Vinci, in Amerika zu zeigen. Im Dezember 1962 kam das Gemälde per Schiff in den USA an und ab dem 8. Jänner 1963 war es in der Washington National Gallery ausgestellt. Einen Monat später kam es zur Präsentation in das Metropolitan Museum in New York. Es handelte sich um eine beispiellose Aktion und eine Vielzahl an Fragen gab es zu bedenken: Wie sollte die Mona Lisa für die Reise verpackt, wie der Transport gehandhabt werden? Wie war das Bild zu sichern, besonders auch, dass es bei einem Schiffbruch in internationalen Gewässern und der Rettung durch Dritte nicht gemäß Seerecht zum Verlust des Eigentums von Frankreich käme? Hingegen gab es keinerlei Überlegungen betreffend Schutz vor behördlicher Beschlagnahme in den USA. Niemanden schien die Sorge zu haben, dass das Gemälde wegen angeblicher oder echter Forderungen gegen den französischen Staat in Exekution gezogen werden könnte.
Restitution und freies Geleit für Kunst
Doch nur wenige Jahre später, 1965, sahen sich die USA veranlasst, Immunitätsregeln (sogenanntes „freies „Geleit) für befristet entliehene Kulturgüter fremder Staaten einzuführen. Frankreich folgte als erstes europäisches Land 1994 und seither stieg die Zahl der Staaten, die ausländischen Leihgebern gesetzlichen Schutz vor Beschlagnahme gewähren (Österreich seit 2003). Die Frage der Immunität für reisende Kunstobjekte ist ein wichtiges Thema für Staaten und Museen geworden ist. Der Hauptgrund dafür liegt in der steigenden Zahl an rechtlichen Auseinandersetzungen infolge Forderungen von Holocaust-Opfern und deren Erben, aber auch der Enteignungen kommunistischer Regime in Osteuropa. Der Fall des inzwischen berühmten „Bildnis Wally“ hat sowohl Restitutionen als auch den Beschlagnahmeschutz stark gefördert, wobei (infolge Berufung auf die kriminalbehördliche Untersuchung) sich das zivilrechtliche Instrument der Immunitätszusage hier als wirkungslos erwies. Streitigkeiten über die Eigentümerschaft sind aber nicht das einzige Risiko. Genauso könnten Leihgaben gepfändet werden, um (nicht mit dem Objekt zusammenhängende) Forderungen gegen den Leihgeber zu betreiben, die in dessen Heimatland nicht durchsetzbar wären.
Beschlagnahmeschutz als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht
Die Motive für die Gewährung von Immunität sind zweifach: Einerseits scheuen Staaten das Risiko, dass infolge von Beschlagnahmen die Bereitschaft potentieller Leihgeber zur Überlassung von Kunst nachhaltig beeinträchtigt wird. Andererseits scheinen die gesetzlichen Initiativen hinsichtlich Immunität für Kunst auch dadurch motiviert zu sein, dass dahingehend eine mehr oder weniger bestehende völkerrechtliche Verpflichtung angenommen wird. Zumindest weisen erläuternde Berichte zu Gesetzesvorhaben und staatliche Erklärungen in Richtung eines so verstandenen innerstaatlich umzusetzenden Völkergewohnheitsrechts. In diesem die Staaten verpflichtenden Sinn verabschiedete die UNO-Generalversammlung im Jahre 2004 die Resolution A/Res/59/38 betreffend die Auslegung der schon länger bestehenden UNO-Konvention über die Immunität von Staaten und deren Eigentum.Gemäß der Resolutionsoll dem in der Konvention genannten Kulturgut (“property forming part of an exhibition of objects of scientific, cultural or historical interest and not placed or intended to be placed on sale”) definitionsgemäß Immunität vor Beschlagnahme oder Pfändung zustehen. Zwar trat die Konvention selbst bisher noch nicht in Kraft, aber es gibt starke Stimmen von maßgeblichen Institutionen und Staaten, wonach der Beschlagnahmeschutz allein schon als eine zwingende Verpflichtung gemäß völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht bestehe. Dieser von der Staats-Immunität abgeleitete Schutz dürfte allerdings vorerst nur staatlichen, nicht aber privaten Leihgebern zugutekommen. Zugunsten Privater bedarf es unverändert ausdrücklicher innerstaatlicher Regelungen.
Rechtsverbindliche Immunitätszusage in Österreich
In beschränktem Umfang gewährt in Österreich das „Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Kulturgut-Leihgaben zum Zweck der öffentlichen Ausstellung“ einen Beschlagnahmeschutz. Der Schutz erfasst in Bundes- oder Landesmuseen vorübergehend ausgestellte Kunstgegenstände ausländischer Leihgeber. Weiters verlangt das Gesetz ein öffentliches Interesse an der Ausstellung. Leihgaben an private Museen oder für andere private Projekte sind demnach nicht geschützt. Die österreichische Regelung lautet:
„§ 1. Soll ausländisches Kulturgut vorübergehend zu einer Ausstellung der Bundesmuseen, die im öffentlichen Interesse gelegen ist, auf dem Gebiet der Republik Österreich ausgeliehen werden, so kann das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf Antrag des betroffenen Bundesmuseums dem Verleiher die vorübergehende sachliche Immunität des Kulturgutes rechtsverbindlich zusagen. Ein öffentliches Interesse besteht insbesondere auch dann, wenn das betreffende Kulturgut ein wichtiger Teil der Ausstellung ist und wenn es ohne diese Zusage nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Kosten in Österreich ausgestellt werden könnte.
§ 2. Diese Zusage ist vor der Einfuhr des Kulturgutes für die im Zusammenhang mit der Ausstellung erforderliche Zeit, längstens für ein Jahr, schriftlich und unter Gebrauch der Worte „rechtsverbindliche Immunitätszusage“ zu erteilen. Sie kann weder zurückgenommen noch widerrufen werden.
§ 3. Die Zusage bewirkt, dass dem Rückgabeanspruch des Verleihers keine Rechte entgegengehalten werden können, die Dritte an dem Kulturgut geltend machen.
§ 4. Bis zur Rückgabe an den Verleiher sind gerichtliche Klagen auf Herausgabe, Beschlagnahmen sowie Exekutionsmaßnahmen jeglicher Art unzulässig.
§ 5. Die §§ 3 und 4 sind auch anzuwenden, wenn durch Landesgesetz eine den §§ 1 und 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 65/2006, sinngemäß entsprechende Regelung für Ausstellungen, die nicht in Bundesmuseen stattfinden, sowie eine Auskunftsmöglichkeit für Dritte, die ein rechtliches Interesse an dem Kulturgut glaubhaft machen, vorgesehen ist. Die Gesamtdauer aller für ein bestimmtes Kulturgut erteilten Immunitätszusagen kann wirksam höchstens ein Jahr ab der Einfuhr betragen.“
Fragwürdig sind bei der Regelung die Beschränkung auf Ausstellungen öffentlicher Museen und das Erfordernis des öffentlichen Interesses. Da das Gesetz dem ministeriellen Ermessen ein weiter Spielraum einräumt, erscheint die„rechtsverbindliche Immunitätszusage“ weder vorhersehbar noch ist deren Verweigerung rechtlich wirklich überprüfbar.
GEMÄLDE IM HOTEL: KEIN URHEBERSCHUTZ BEI WIEDERGABE AUF HOTEL-HOMEPAGE
Wesentliche schöpferische Züge
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hält der Oberste Gerichtshof fest, nur wenn der Betrachter den „sinnlichen Eindruck des Originalwerks in seinen wesentlichen schöpferischen Zügen“ habe, könne der Künstler infolge nicht gestatteter Wiedergabe urheberrechtliche Ansprüche geltend machen. Im Anlassfall hatte die Künstlerin einem Hotel gestattet, in dessen Räumlichkeiten eine befristete Verkaufsausstellung ihrer Werke zu veranstalten, darunter das Gemälde „Mozart Symphonie No 41″. Das Hotel sollte eine Provision erhalten, doch war kein Verkauf zustande gekommen. Sodann hatte man vereinbart, dass die Gemälde gegen einen monatlichen Betrag weiter hängen bleiben dürfen. Als das Hotel mit der zweiten Monatsrate säumig wurde, hatte die Künstlerin ihre Gemälde abgehängt und mitgenommen. Während der Ausstellung waren Lichtbilder von den Räumlichkeiten des Hotels angefertigt worden und in weiterer Folge – ohne Zustimmung der Künstlerin – auf die Homepage des Hotels gestellt worden. Auf zwei von zehn dieser Lichtbilder ist das Gemälde „Mozart Symphonie No 41″ im Hintergrund an der Wand hängend zu sehen. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die klagende Künstlerin, der das Hotel führenden GmbH mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, das Werk zu vervielfältigen oder zu verbreiten, insbesondere durch Einstellung von Bildern des Werks auf der Homepage des Hotels. Das Hotel verwende ohne Zustimmung der Klägerin Lichtbilder des Gemäldes für eigene Werbezwecke und greife damit in allein der Urheberin zustehende Verwertungsrechte ein.
Kein Schutz für ungeformte Gedanken
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Klägerin sei weder ein rechtlicher noch ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden, sondern es liege sogar in ihrem Interesse, wenn ihre Werke einem größeren Personenkreis bekannt würden. Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Mit der Einstellung des digitalisierten Lichtbilds in der Homepage seien die Verwertungsrechte der Vervielfältigung und Verbreitung verletzt. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Sicherungsantrag abwies. Eine unzulässige Vervielfältigung liege nicht vor, weil mit den Lichtbildern kein wirtschaftlich verwertbares Vervielfältigungsstück des Originalwerks hergestellt worden sei. Der Oberste Gerichtshof bestätigt die Abweisung und hält fest, zur Erlangung von Urheberrechtsschutz müsse das Ergebnis der Gestaltung eines bestimmten Vorstellungsinhalts sinnlich wahrnehmbar werden. Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes sei nicht der dem Werk zugrunde liegende, noch ungeformte Gedanke als solcher, sondern nur die eigenpersönliche körperliche Formung und Festlegung einer schöpferischen Idee. Im Anlassfall mache die Klägerin Rechtsverletzungen in Form nicht autorisierter Vervielfältigungsstücke sowie Eingriffe in das Verbreitungsrecht bzw das Zurverfügungsstellungsrecht geltend.
Zurverfügungstellung im Internet
Weiters legt der OGH die Grundideen des Urheberrechts dar, wonach dem Urheber das ausschließliche Recht zugeordnet sei, das Werk – gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Menge – zu vervielfältigen. Ein einzelnes Werkexemplar könne in körperlicher Form nur von einem verhältnismäßig kleinen Kreis an Lesern, Hörern oder Betrachtern wahrgenommen werden. Dieser Kreis vergrößere sich, wenn das Werk vervielfältigt werde und zahlreiche Vervielfältigungsstücke an die Öffentlichkeit gelangten. Damit vergrößere sich auch die Möglichkeit des Urhebers, hieraus herrührende Einnahmen zu erzielen. Das Vervielfältigungsrecht solle ihm eine Beteiligung an diesen Einnahmen sichern. Die Einleitenden Bemerkungen zum UrhG führen zum Begriff „Vervielfältigen“ näher aus: „Ein Werk vervielfältigen heißt, es derart in der Fläche oder im Raum festlegen, dass das Festlegungsstück geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen“. Zutreffend werde, so der OGH, daraus der Schluss gezogen, dass erst dann von einem Vervielfältigungsstück gesprochen werden könne, wenn das Werk eine Verkörperung in einer konkreten Formgestaltung erfahren habe, die das Originalwerk unmittelbar oder jedenfalls mittelbar wahrnehmbar mache. Der Urheber besitze das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sei („Zurverfügungstellungsrecht“). Dieses Verwertungsrecht sei für das Internet und andere Netztechnologien von Bedeutung. Wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedere, verstoße gegen das Verwertungsrecht.
Eingriff nur bei Erkennbarkeit
Ob ein Eingriff vorliege, müsse an Hand eines Vergleichs zwischen Originalwerk einerseits und Werkstück in der vervielfältigten/verbreiteten/zur Verfügung gestellten Form andererseits beurteilt werden. Die Klägerin mache als Rechtsverletzung geltend, dass die Beklagte zwei Lichtbilder von Hotelräumlichkeiten in ihren Internetauftritt integriert habe, auf denen als Wandschmuck im Hintergrund der abgebildeten Räume ein von der Klägerin geschaffenes abstraktes Gemälde sichtbar sei. Als möglicherweise verletztes Verwertungsrecht sei damit das Zurverfügungsstellungsrecht angesprochen, das dem Rechteinhaber die Verwertung seines Werks in Form des Anbietens zum interaktiven Abruf vorbehalte. Bei Aufruf der betreffenden Website der Beklagten sei das Gemälde der Klägerin höchstens in einer Größe von 1,1 cm x 1,5 cm – also weniger als einem Hundertstel der Originalgröße – im Hintergrund des Raumes sichtbar. Unter diesen Umständen könne der Betrachter auf dem Lichtbild zwar gerade noch erkennen, dass an der Rückwand des abgebildeten Raumes ein Bild hänge. Das Werk in der wiedergegebenen Form vermittle ihm aber nicht einmal annähernd den sinnlichen Eindruck des Originalwerks in seinen wesentlichen schöpferischen Zügen, geschweige denn in Details der Darstellung. Selbst ein Betrachter, der das Originalwerk kenne, würde es infolge der winzigen Wiedergabe auf dem Lichtbild als Teil der Website nicht von anderen Bildern der Klägerin oder eines anderen abstrakten Künstlers unterscheiden können. Unter diesen Umständen könne von einer rechtsverletzenden Nutzung eines fremden Werks keine Rede sein. Es komme auf die grundsätzliche Erkennbarkeit des Werks in seiner konkreten verwerteten Gestalt an. Daran mangle es aber im Anlassfall.
RÜCKGABE NICHT MEHR MÖGLICH: EIGENTUM VERJÄHRT NICHT, ERSATZANSPRUCH SCHON
Beweisprobleme der Erben
In einer kürzlichen Entscheidung hält der Oberste Gerichtshof fest, er verkenne nicht die Beweisprobleme, mit denen Rechtsnachfolger jener Personen, deren Eigentum während der „Naziherrschaft“ entzogen wurde, konfrontiert seien. Im Anlassfall müsse aber (ohnedies) die Bezugnahme auf die Unverjährbarkeit des Eigentums versagen, weil die Klägerin eine bereits im Jahr 1954 begründete Schadenersatzforderung zur Grundlage ihres auf Zahlung gerichteten Begehrens mache. Anders als ein Herausgabeverlangen sei das Zahlungsbegehren wegen Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche abzuweisen. Der Rechtsvorgänger der Klägerin war Eigentümer einer Gemäldesammlung. Darunter befand sich ein Bild von Moretto, das 1944 in Wien von der geheimen Staatspolizei (Gestapo) beschlagnahmt wurde. Der Eigentümer selbst emigrierte als rassisch Verfolgter im Jahr 1942 nach Mexiko. Nach seiner Auswanderung bemühte er sich, wieder zu seinem Vermögen zu kommen. Er veranlasste, dass Fotos der Bilder seiner Gemäldesammlung der Bundespolizeidirektion Wien geschickt wurden. Diese veröffentlichte 1954 ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Gegenstände. Dieses enthielt Fotografien einzelner Bilder samt Angabe von Titel, Maler und Größe des Bildes. Enthalten war darin auch das Bild von Moretto. Hingewiesen wurde weiters auf die strafrechtlichen Folgen des Erwerbs der Gegenstände, die im Verzeichnis angeführt waren. Der Ehegatte der Klägerin erfuhr Anfang des Jahres 2001, dass sich das Gemälde im Besitz eines in Wien und Italien wohnhaften Arztes und Gemäldesammlers befunden hatte und sich derzeit im Museum einer italienischen Gemeinde befindet. Das Bild war der Gemeinde 1972 geschenkt worden.
Unterlassung der Herausgabe
In der 2002 eingebrachten Klage brachte die Klägerin vor, es gäbe im Zusammenhang mit dem Entzug des Bildes eine Schadenersatzforderung, welche zum Nachlassvermögen der Erbin des ursprünglichen Eigentümers des Bildes gehöre. Aufgrund eines getroffenen Settlement Agreements sowie als Erbin nach ihrem Mann würden 25 % der Forderung der Klägerin zustehen. Der Wert des Bildes belaufe sich auf 250.000 US-Dollar. 25 % davon seien umgerechnet 68.000 EUR. Die Gestapo habe damals das Bild von Moretto dem Arzt und Kunstsammler übergeben. Dieser und dessen Frau hätten spätestens seit 1954 gewusst, dass das Gemälde ursprünglich aus jüdischem Besitz stamme und dem rechtmäßigen Eigentümer in der Ära des Nationalsozialismus abgenommen worden sei. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte das Ehepaar das Bild herausgeben müssen, habe dies aber unterlassen. Die Gemeinde in Italien, in deren Besitz sich das Bild nunmehr befinde, habe die Herausgabe unter Hinweis auf die italienische Rechtslage verweigert. Die gegen das Ehepaar im Jahr 1954 entstandene Schadenersatzpflicht sei auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin übergegangen. Die Beklagte wendete fehlende Aktivlegitimation und Verjährung ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin sei nicht klagslegitimiert, weil ihr Ehegatte nicht Erbe, sondern lediglich Vermächtnisnehmer gewesen sei.
Zweite Instanz für Unverjährbarkeit
Infolge Berufung der Klägerin hob die zweite Instanz das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Das Berufungsgericht befasste sich näher mit dem Verjährungseinwand der Beklagten und meinte, es handle sich nicht um einen „schlichten“, nach 30 Jahren bereits verjährten Schadenersatzanspruch. Vielmehr liege ein Eigentumsherausgabeanspruch vor, dies in Form einer Interessenklage (Zahlungsklage) wegen behaupteter Unmöglichkeit, das Eigentum an dem Gemälde wieder zu erlangen. Es genüge der Nachweis der unterbliebenen Rückstellung der Sache. Den Erben jener Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus Opfer einer Eigentumsentziehung wurden, stehe ein gemäß § 1459 ABGB unverjährbarer Eigentumsherausgabeanspruch gegenüber demjenigen zu, der die Sachgewahrsame erlangt habe, sofern das Eigentum nicht durch einen gutgläubigen Erwerb eines Dritten verloren gegangen sei. Jedenfalls müsse geklärt werden, wann und unter welchen Umständen das Moretto-Bild nach der Beschlagnahme erworben worden sei und ob die Herausgabe des Bildes nicht nur faktisch verweigert werde. Dazu müsse die italienische Rechtslage erhoben werden. Der Gedanke der Unverjährbarkeit eines Herausgabeanspruchs gelte im Falle eines arisierten Eigentums auch für die Klage auf Ersatzzahlung.
Schadenersatzanspruch entstanden, aber verjährt
Der OGH führt in seiner Entscheidung aus, in der Lehre werde die Auffassung vertreten, dass Ansprüchen auf Rückgabe von Gegenständen, die entweder durch einen nichtigen Hoheitsakt des „nationalsozialistischen Staats“ oder durch faktische Gewalt (Raub, Erpressung) entzogen wurden, trotz der Verfristung nach den (nach dem Krieg erlassenen) Rückstellungsgesetzen Verjährung nicht entgegengehalten werden könne. Begründet werde dies mit der Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs des Eigentümers nach § 1459 ABGB. Die Durchsetzung dieses Anspruchs setze aber voraus, dass das Eigentum noch aufrecht bestehe und nicht durch originären, z.B. gutgläubigen Eigentumserwerb verloren gegangen sei. Im konkreten Fall würde die Klägerin aber ihr Zahlungsbegehren nicht daraus ableiten, dass ein -nach der zitierten Lehre grundsätzlich unverjährbarer – auf das Eigentum gestützter Herausgabeanspruch auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Sammlerehepaars übergegangen sei. Ein Herausgabeanspruch habe zum Zeitpunkt der Rechtsnachfolge nicht mehr bestanden und habe daher auch nicht übergehen können, weil das Bild bereits im Jahr 1972 an eine Gemeinde in Italien geschenkt und übergeben worden war. Die Klägerin habe vielmehr geltend gemacht, dass das Sammlerehepaar bereits im Jahr 1954 in Kenntnis der Herkunft des Bildes die Rückgabe an den rechtmäßigen, damals noch lebenden Eigentümer unterlassen hätte. Dieser – bereits damals aufgrund der Verletzung einer Rückgabepflicht – begründete Schadenersatzanspruch sei auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Schädiger übergegangen. Jeder Schadenersatzanspruch unterliege nach § 1489 Satz 2 ABGB einer absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Sei daher das schädigende Verhalten 1954 gesetzt worden und zeitgleich aufgrund der Verletzung der Rückstellungspflicht der Schaden eingetreten, sei die Schadenersatzforderung zum Zeitpunkt der Klagseinbringung im Jahr 2002 jedenfalls verjährt gewesen. Die 30-jährige Verjährungsfrist gelte unabhängig von der Kenntnis des damaligen Eigentümers und Geschädigten von der Person des rechtswidrig handelnden Erwerbers und Schädigers.
Eine kleine Auswahl der Veröffentlichungen.
Die ausführliche Liste und den Lebenslauf finden Sie hier.
Vorträge mit Möglichkeiten zum Download finden Sie hier.
Eine Einführung in das Kunstrecht (Co-Publishing im Verzeichnis „Der deutsche Wirtschaftsanwalt 2008/2009) finden Sie hier.
Im Culture Blog finden Sie aktuelle Beiträge und Kommentare, derzeit zum Kunstrecht.
- Erschienen bei de Gruyter Recht, Berlin 2005
- Beitrag „Restitution der Raubkunst in Europa“, Anlagen und Literaturverzeichnis
- Beitrag „Holocaust Looted Art“ in den Peace Palace Papers No.7, The Hague
- Key note“Praeda bellica in bellum justum?“ im int. Sammelband War Booty, Stockholm